Top-10 Fragen zum Widerruf von Lebensversicherungen

Nachfolgend haben wir Ihnen unsere Top-10 der wichtigsten Fragen zusammengestellt. Ist Ihre Frage nicht dabei? Zögern Sie nicht uns anzusprechen!
1. Von welchem Datum sollte bzw. kann der Vertrag sein, um ein Widerrufsrecht zu haben? Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs betreffen die Gesetzeslage des § 5 VVG a.F. Dieser findet auf Verträge Anwendung, die in dem Zeitraum von 1995 bis 2007 abgeschlossen wurden. Auch später abgeschlossene Verträge können widerrufen werden. Hierbei ist die ab dem 01.01.2008 neu gefasste Regelung des VVG zur erforderlichen Qualität der Widerrufsbelehrung zu beachten. Erfahrungsgemäß ist die Wahrscheinlichkeit ein Widerrufsrecht zu haben, ab dem 01.01.2008 geringer als zuvor.
2. Ist es erheblich, wenn mein Berater mich im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß mündlich belehrt hat? Nein, es kommt ausschließlich auf die textliche Fassung der Belehrung in schriftlicher Form an. Mündliche Absprachen sind nicht ausreichend und werden nicht berücksichtigt.
3. Muss der Lebensversicherungsvertrag noch laufen, oder darf er beitragsfrei / gekündigt sein? Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 05. Mai 2014 – IV ZR 76/11- unter Hinweis auf sein Urteil vom 24.11.2009 entschieden, dass auch bereits gekündigte Lebensversicherungen rückabgewickelt werden können, wenn der Versicherungsvertrag nicht vor dem 01.01.2003 bereits beendet war. Am 01.01.2003 darf der Vertrag daher nicht gekündigt oder aufgehoben gewesen sein. Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß aller Versicherungsverträge, die ab dem 02.01.2003 endeten, dem Grunde nach widerrufen und hiernach rückabgewickelt werden können.
4. Bekomme ich bei der Rückabwicklung auch Zinsen erstattet? Ja, bekommen Sie. Nur die Höhe der Zinsen ist noch nicht abschließend geklärt. Mit der Entscheidung des BGH vom 25.07.2015 stellte dieser fest, daß die Parteien die wechselseitig gezogenen Nutzungen zu erstatten haben. Hierzu gehört auch eine „Verzinsung“ des Kapitals. Der rechtliche Ansatzpunkt ist laut BGH aber nicht § 284 BGB (gesetzlicher Zinssatz mit 4% p.a.) oder § 288 I BGB (Verzugszinssatz mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszins), sondern § 818 I BGB (Herausgabe gezogener Nutzungen), mithin die von dem Versicherer tatsächlich erzielte „Verzinsung“ Ihres Kapitals.
5. Bekomme ich bei der Rückabwicklung meine vollständigen Zahlungen erstattet? Ja und Nein, denn bei der Rückabwicklung des Vertrags sind die wechselseitigen Leistungen zurückzuerstatten. Wenn der Versichererer seinerseits für Sie eine Leistung erbracht hat, dann müssen Sie diese an den Versicherer zurückgeben. Haben Sie eine Risikoübernahme erhalten (Lebensversicherungen beinhalten regelmäßig zu einem Teil die Absicherung des Todesfallrisikos), so ist diese in Euro zu bewerten und bei der Abrechnung zu berücksichtigen. Dies bedeutet, daß der Versicherer von Ihnen den Wert seiner Versicherungsleistung erstattet verlangen kann, dieser Wert wird daher von Ihren Leistungsraten in Abzug gebracht. Was genau der Versicherer von Ihnen erstattet erhalten darf, wurde dem Grunde Nachgeklärt, so z.B. nicht die Vertriebskosten oder eine Verwaltungsgebühr.
6. Verfällt mein Widerspruchsrecht (nach einem Jahr), wenn ich eine Leistungsrate bezahlt habe? Nein, nicht für die Verträge in dem maßgeblichen Zeitraum vom 29.07.1994 bis 31.12.2007. Die Regelung des § 5 II 4 VVG a.F. besagte ursprünglich, daß das Widerrufsrecht undabhängig von der Frage, ob eine ordnungsgemäße Belehrung stattgefunden hat, spätestens 1 Jahr nach erstmaliger Beitragszahlung durch den Versicherungsnehmer endet. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19. 12.2013 -C-20912- entschieden, daß diese gesetzliche Regelung nicht europarechtskonform und daher unwirksam ist.
7. Sind nach dem Policenmodell abgeschlossene Verträge wirksam? Derzeit wohl noch ja. In der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.07.2014 vertritt dieser noch die Auffassung, daß das Policenmodel nicht dem Grunde nach gegen die gesetzlichen Vorschriften verstoße. Gegen diese Rechtsauffassung gibt es hingegen in Rechtsprechung und Litheratur gewichtige Kritik. So hatte unlängst das Bundesverfassungsgericht ein Oberlandesgericht aufgefordert, diese Rechtsfrage von dem Europäischen Gerichtshof klären zu lassen. Es bleibt insoweit daher die weitere Entwicklung abzuwarten.
8. Wann verwirken Ansprüche aus dem Widerruf / der Rückabwicklung von Verträgen? Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07. 05. 2014 -IV ZR 76/11- steht fest, daß die Regelungen des § 7 II VerbrKrG und des § 2 I 4 HWiG nur auf Verträge anwendbar sind, die bis zum 31.12.2002 beendet waren. Auf ab dem 01.01.2003 beendete Verträge finden die v.g. Regelungen keine Anwendung mehr, so daß eine Verwirkung nicht mehr eintritt.
9. Wann verjähren meine Ansprüche auf Rückabwicklung nach Widerruf? Das Recht zum Widerruf ist ein Gestaltungsrecht. Solange es nicht ausgeübt wird, entstehen keine Subsidiäransprüche, z.B. auf Rückabwicklung. Das Recht zum Widerruf verjährt nicht, sondern könnte allenfalls verwirken (siehe hierzu Frage 8). Erst mit dem Widerruf entsteht ein neues (Leistungs-) Recht auf Rückabwicklung des Vertrags. Dieses Recht unterliegt der Verjährung. Die 3-Jahres-Frist beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Widerruf (wirksam) erklärt wurde und läuft daher mit dem Ablauf des 31.12. des dritten auf den Widerruf folgenden Jahres ab.
10. Welche Unterschiede bestehen bei Rentenversicherungen und Lebensversicherungen? Rentenversicherungen beinhalten keinen Versicherungsschutz des Lebens (im Unterschied zu Lebensversicherungen). Im Regelfall erhalten Sie daher bei dem Widerruf einer Rentenversicherung sämtliche gezahlten Raten, bei dem Widerruf einer Lebensversicherung die gezahlten Leistungsraten abzgl. der Werthaltigkeit des Versicherungsschutzes, zurück.
11. Wie hoch ist der Versicherungsschutz des Lebens zu bewerten? Dies ist abhängig vom Alter, der Versicherungssumme und den Risikofaktoren der versicherten Person. Überschlägig können Sie mit ca. 5-8% der Leistungsrate an Kosten für den Todesfallschutz rechnen.
12. Was muss ich bei Fondspolicen beachten? Dem Grunde nach sind fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen nach den gleichen Grundsätzen wie klassische Produkte zu bewerten. Nicht höchstrichterlich entschieden ist allerdings, ob Kosten der Geldanlage bzw. der Vermögensverwaltung des bei fondsgebundenen Versicherungen im Sondervermögen des Versicherten stehenden Einlage- und Anlagebetrags ähnlich einer Versicherungsleistung zur Absicherung des Todesfalls als Leistung des Versicherers bei der Rückabwicklung zu bewerten sind. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 25.07.2015 (inhaltlich war eine klassische Lebensversicherung zu bewerten) wird aber davon auszugehen sein, daß die Kosten der Geldanlage durch den Versicherer nicht zum Abzug gebracht werden können.

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