Kann ein Aufhebungsvertrag angefochten werden, wenn der Arbeitnehmer unter Druck gesetzt wurde?

Leider ist die Situation nicht selten, es findet ein überraschendes Personalgespräch statt, der Arbeitnehmer wird in einen Raum gerufen, in dem sich der Arbeitgeber mit einem Zeugen befindet, und dem Arbeitnehmer wird z.B. ein strafbares Verhalten vorgeworfen und die Wahl gelassen, entweder den Arbeitsvertrag einvernehmlich sofort aufzulösen, oder eine (fristlose) Kündigung zu erhalten. Unterschreibt der Arbeitnehmer in einer solchen Drucksituation stellt sich die Frage, wie lange er sich Zeit lassen kann diese Unterschrift zu überdenken und gegen den Aufhebungsvertrag vorzugehen.

Wie ist die rechtliche Situation und was kann man machen
Durch den Aufhebungsvertrag wird ein Arbeitsverhältnis beendet. Diese Beendigung kann nur erfolgen durch eine einseitige Kündigung oder wie hier durch eine zweiseitige Vereinbarung. Es gilt daher, diese Vereinbarung „aus der Welt zu schaffen“. Rechtlich erfolgt dies durch die Anfechtung der Vereinbarung. Eine Anfechtung ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer sich bei der Unterschrift über die wahren Umstände geirrt hat (weil der Arbeitgeber sie ggf. falsch oder unvollständig dargestellt hat) bzw. von dem Arbeitgeber getäuscht oder arglistig bedroht wurde (indem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bewußt Glauben schenkt, es würde ein empfindliches Übel in der Form einer Kündigung drohen wenn er sich nicht mit der Aufhebung einverstanden erklärt). Gesetzlich geregekt ist die Anfechtung in §§ 119 ff BGB.

Voraussetzungen einer Anfechtung nach der Rechtsprechung
Das Landesarbeitsgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 19.10.2016 zu 11 Sa 114/16 nunmehr die einzuhaltenden Kriterien definiert:

Die Anfechtung muss innerhalb 1 Jahres erfolgen, § 124 I BGB.
Die Anfechtungsfrist beginnt a. mit dem Zeitpunkt, in dem man die Täuschung entdeckt, bei einer Drohung mit dem Aufhören der Zwangslage, längstens innerhalb 10 Jahren seit der Willenserklärung, §§ 124 II, III BGB.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht haben, § 123 BGB, was bezogen auf das Arbeitsrecht wie folgt konkretisiert ist:

  • Wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, daß eine Kündigung sehr wahrscheinlich nicht wirksam wäre, dann darf er sie auch nicht als wirksam in Aussicht stellen und eine Drucksituation aufbauen (vergl. auch Bundesarbeitsgericht vom 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06 –).
  • Wenn der Arbeitgeber nur den Verdacht hat, dass der Arbeitnehmer gravierend gegen den Arbeitsvertrag verstossen hat (z.B. durch eine Straftat), dann muss der Verdacht schon so gefestigt sein, dass das Geschehen (weshalb der Arbeitgeber den Verdacht hat) nicht auch auf andere Art und Weise vorgefallen sein könnte. Bloße Vermutungen sind nicht ausreichend (vergl. auch Bundesarbeitsgericht vom 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 – und Bundesarbeitsgericht vom 24.05.2012 – 2 AZR 206/11 –).
  • Wenn der Arbeitgeber besondere Gründe, die ihn zur Kündigung / nicht weiteren Beschäftigung berechtigen würden (z.B. das Wegfallen des Sachgrunds der Vertretung , § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG), wider besseres Wissens nicht kannte / kennen wollte (z.B. wenn der vertretene Mitarbeiter bereits mitgeteilt hat, daß er nicht wieder zurück kommt und daher eine weitere „Vertretung“ erforderlich wird) und dem Arbeitgeber hierdurch den Eindruck vermittelt, er hätte „ohnehin keine Chance“ und es ist besser einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben ( vergl. Bundesarbeitsgericht vom 29.04.2015 – 7 AZR 310/13 –).

Wichtiges zur Beachtung
Alle Entscheidungen sind solches des Einzelfalls. Es ist daher wichtig, daß Sie den Sachverhalt, der zur Bewertung ansteht, umfangreich ermitteln und dann darstellen können. Es ist die Beweislast des Arbeitnehmers, daß er getäuscht wurde. Der Arbeitnehmer muss daher im ersten Schritt konkret machen können, was der Auslöser für seine Unterschrift war, d.h. welche konkreten Nachteile der Arbeitgeber ihm in Aussicht gestellt hat. Dies ist in vielen Fällen nicht einfach, Sie sollten daher unbedingt fachkundigen Rat einholen.

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